Beschreibung

Die Sammlung enthält vier Versepen:
In „Der Schatz der Nibelungen.“ wird der Leser aufgefordert, den Schatz deutscher Kultur zu suchen, das sagenumwobene Rheingold. Während des Weges hin zum Rhein begegnen dem Wandernden viele bekannte Gesichter der deutschen Literatur.
Die Reise findet innerhalb eines Sonettenkranzes in einem vergnüglich lockeren Sprachduktus statt – keineswegs „eng“ und „rigide“, wie Robert Gernhardt diese grandiose italienische Gedichtform herabwürdigte.
Es folgt das „Mailied.“: Ein junger Geschäftsmann verliert sich zwischen zwei Terminen in einem kleinen Waldstück mit Weiher, wo er seinem depressiven Seelenbruder begegnet. Mit ihm beginnt er eine Suche, die ihn bald vor die Heidengöttin Berchta führt. Sie schrumpft ihn auf Maikäfergröße, um ihm die Suche zu erleichtern. Es beginnt ein wundersamer Tag zwischen den Tieren und Pflanzen am Weiher, die den Geschäftsmann mit ihren befremdlichen Weltanschauungen zurück auf den Boden der Tatsachen holen.
Das Versepos beginnt vergleichsweise prosaisch und findet, sowie der Geschäftsmann in die Schöpfung eintaucht, mehr und mehr zur Poesie. Ein lustiges wie tragisches Epos, das die Melancholie und Sinnsuche unserer naturfernen Gesellschaft thematisiert.

Auch die Götterdichtung „Kymo flüstert …“ beschäftigt sich mit dem Thema Depression. Die von Sehnsucht, sexuellem Verlangen und Nihilismus getriebene Nereïde Kymo verliebt sich in den strahlenden Dichter Photeinos, der sich ihr, in dem Moment, wo sie sich ihm hingibt, als schwarzer Satyr offenbart.
Während sich das Epos einerseits an Ovids Metamorphosen anlehnt, indem es eine in Versen verfasste antike Sage vortäuscht, stellt die Abgeschlossenheit der Kapitel, vor allem aber deren Abgründigkeit eine Hommage an Baudelaire dar.
Das Buch schließt mit dem Tod des Dichters und dessen Eintauchen ins „Elysium.“, wo er seine Geliebte wiederfindet. Es ist eine durchgängig in Distichen verfasste Elegie von kurzer Länge, aber enormer Bildergewalt.


Erhältlich als



Leseprobe

Der Fischer.

 

 

Hört! wie Orpheus singt der Mann,

der dorten treibt im Fischerkahn.

Sein allerliebstes Kind vermisst er,

seine Frau im Geiste küsst er.

 

Hoffend harrt er lange aus

und träumt vom Fang und von zu Haus.

Doch ich entsteig dem Ozean

und biete meinen Leib ihm an!

 

Schöner Fischer, rufe ich,

so komm herbei und küsse mich!

Mein Leib verzehrt sich nach dem deinen,

lass uns beide hier vereinen!

 

Wie er sich die Lippen leckt,

mir seine Hand entgegenstreckt,

wie seine Augen gierig glühn!

Ein letztes Mal, dann ist’s dahin.

 

Fürwahr! er springt ins Meer hinein

umschlingt die Brust mir und das Bein.

Hier oben freilich hechelt er,

nur flugs hinab! Nun röchelt er!

 

Lass fühlen deine Manneskraft!

Was ist dir, Fischer? So erschlafft?

Trotz allem will ich dich dort fassen

und dich nicht nach oben lassen!

 

Oh, du Armer, welche Qual!

Du zappelst wie im Netz der Wal,

erreichst den Äther mit den Händen

und musst dennoch hier verenden!

 

Hei! wie deine Augen stieren!

Soll ich dein Gemächt massieren,

bis der Lebensgeist dir schwindet

und dich Charon tot hier findet?

 

Keine Glieder mehr bewegend

treibst du nun. Oh! wie erregend

ist mir dein verblasstes Leben!

Lass mich einen Kuss dir geben!
 


 

Die Fischersfrau.

 

 

Am Ufer stehen Frau und Kind durchnässt,

denn zornig peitscht mit mir die schwere Gischt.

Sie rufen nach dem Mann, der draußen fischt.

Oh, komm nach Hause ins gemachte Nest!

 

Nun hab ich ihren Fuß und halt ihn fest,

sie stürzt wie ich, die Harmonie erlischt.

Sie rudert, paddelt, glaubt noch, sie entwischt!

Das bange Kind ist’s, das sie strampeln lässt,

 

nicht ihre Existenz sucht sie zu retten.

Und wieder wehrt sie sich, doch sie versinkt.

Dies ist der letzte Kraftakt, möcht ich wetten!

 

Sie gäbe gerne letzte Worte kund,

doch ich zieh an und Wasser füllt den Mund.

Am Ufer wimmert noch das Kind und winkt.