Wehre, wehre.

(veröffentlicht in „Des Königs feuchte Jungfer Tod“)

 

 

Ein Eiland, wohl verwahrt im Nebelschleier,

verheißt die Ewigkeit des Ozeans

und ist der Born im heißen Wüstenfeuer,

im trüben Meer der letzte Farbenglanz.

Auf unverblümtem Sand – so wird erzählt –,

gespeist von märchenhaft beredten Quellen

man Feigenfleisch aus jeder Palme schält –

Garnelenschwärme sind die Gischt der Wellen.

 

Wie viele Paare aber dorthin strebten

und fuhren auf die See mit morschem Nachen,

obschon die Fluten stetig darin bebten

und tausend Boote schon und Schwüre brachen!

Als arglos du und ich zum Nachen liefen,

nicht ohne süße Blicke uns zu schenken,

erschollen ihre Stimmen aus den Tiefen,

mit jenem grimmen Kehrvers mich zu kränken:

 

Kehre, kehre dich vom Meere,

hör doch unser Klagelied!

Bleib am Strande! Kehre, kehre,

sonst singt ihr dies Liedlein mit!

 

Doch hätte keine Mahnung uns gestört,

auch fuhren viele Paare hinterdrein,

ein jedes von der Zuversicht betört,

demnächst auf diesem Eiland schon zu sein.

Doch türmte sich bereits die erste Woge,

das Wasser gurgelte, der Himmel fluchte,

und jäh erschien ein Walfisch in dem Soge,

der ebenfalls mich zu ermahnen suchte:

 

Kehre, kehre dich vom Meere,

hör doch, wie dein Mädchen keucht!

Fahre heimwärts! Kehre, kehre,

dass die Kraft euch nicht entfleucht!

 

Ein Sturm brach los – das Mahnen war vertan.

Sowie die Boote drehten oder kippten,

Geliebte! stimmten wir ein Liedlein an,

auf dass wir nun im Takte vorwärts wippten.

Doch trieb die See mit uns brutalen Spott

und Blitze zuckten – ebenso wie du.

Und jäh durchfuhr den Schaum der Totengott

und schrie mir wütend durch das Malmen zu:

 

Kehre, kehre dich vom Meere,

sieh doch, wie dein Weib erblasst!

Ach, es strauchelt! Kehre, kehre,

dass es meine Hand nicht fasst!

 

Ich griff die Ruder, sie jedoch zersprangen,

sah nur ein Boot noch – und dass dieses leer war,

und hielt dich schließlich, Liebling, fest umfangen,

indes das Atemschöpfen dir so schwer war.

Geglättet ward darauf das blaue Wasser

und alle Wolkentürme rosarot,

doch du lagst keuchend, aber immer blasser

in meinem Arm auf dem kaputten Boot.

 

Wehre, wehre doch dem Meere!

Sieh die Möwe in der Gischt!

Atme, atme, wehre, wehre!

Hör, wie sie Garnelen fischt!