Beschreibung

Als Außenseiter und Opfer der Bosheiten seiner Mitschüler hätte der Sechstklässler Ade sein Schicksal schon fast in die Hände des Feuerteufels gelegt. Doch wendet sich sein Leben schlagartig zum Besseren, als er sich mit einem neuen Mitschüler, dem dicken Paul, anfreundet.
Gemeinsam machen die beiden eines Nachts eine schaurige Entdeckung: Auf einem verwahrlosten Friedhof mitten auf dem Schulgelände beobachten sie, wie der grässlich entstellte Geist eines verschollenen Mädchens in sein Grab fährt.
In Ades Kopf summt es: Was hat es mit dem Mädchen auf sich? Und wieso kennt niemand diesen Friedhof? Oder will ihn niemand kennen? Und was um alles in der Welt ist in seinen stillen Klassenkameraden Ludwig gefahren, der die kleine Stadt plötzlich mit allerhand bösen Streichen auf den Kopf stellt?
Seinem sonst so gewitzten und lebensfrohen Freund Paul macht die Entdeckung allerdings zu schaffen. Als er schließlich erkrankt, sieht sich Ade erneut aller wohlbekannten Tristesse ausgesetzt – und der Feuerteufel erwacht zum Leben.



Leseprobe

„Ich hab ’ne  bessere Idee! Komm mit!“, rief Raffael plötzlich, stieg aus dem Wellenbadbecken und lief Richtung Schwimmerbecken, von wo sie hergekommen waren. Ludwig folgte ihm. Sie stiegen dort hinein, wo die Schwimmbrillen-Kasperl keuchend ihre Bahnen drehten.

„Toll. Willst du jetzt Sport treiben oder was?“, fragte Ludwig. Raffael schüttelte den Kopf und deutete Richtung Damenduschen. Ludwig suchte die Tür nach irgendwelchen Worten ab, die man hätte schweinisch missdeuten können, doch da stand nichts.

„Damenduschen. Und jetzt?“, fragte er seinen Freund.

„Abwarten!“, befahl Raffael und behielt die Tür im Auge. Es dauerte nicht lange, da öffnete sich diese und eine ältere Frau betrat das Schwimmbad. Und plötzlich verstand Ludwig, was Raffael meinte. Die Tür schloss sich nur langsam wieder und gab den Blick auf zwei duschende Damen im Hintergrund frei. Sie waren beide nackt. Augenblicklich begannen beide Freunde zu kichern. Sie konnten von den beiden Frauen alles sehen: Busen und Muschi!

Ludwig tauchte für einige Sekunden unter, weil ihm plötzlich heiß wurde. Als er auftauchte, war die Duschraumtür wieder zu. Er schaute in Raffaels schmales Gesicht, das ihn mit einer Mischung aus Verlegenheit und Stolz angrinste. Kurz darauf öffnete sich abermals die Tür, als ein kleines Mädchen die Dusche verließ. Wieder war ein freier Blick in die geheimnisvollen Tiefen der Damenduschen gewährt. Eine der beiden Frauen war noch da. Sie rieb sich gerade ihren Körper mit Shampoo ein. Ihren Unterkörper besonders ausführlich.

„Scheiße!“, zischte Raffael überwältigt. Seine Stimme bebte. Sein Kopf war rot. Mit einer Hand zupfte er vorsichtig an seiner Badehose herum.

„Geht’s dir grad genauso wie mir?“, fragte Ludwig zögernd und zupfte sich ebenso vorsichtig an seiner Hose herum. Raffael nickte.

„Hey!“, schrie plötzlich eine Stimme nicht weit von ihnen. Die Buben schauten auf und sahen den Bademeister, der mit schnellen Schritten auf sie zugerannt kam. „Saububen, verreckte!“

„Dreck! Der Bademeister!“, rief Raffael Ludwig zu.

„Weg hier!“, rief er zurück.

So schnell sie konnten stiegen sie aus dem Schwimmerbecken und rannten mit ihren Zirkuszelthosen in Richtung Rutschen. Doch der Bademeister war ebenso sportlich, wie er wütend war. Er kam den beiden immer näher.

„Was machen wir denn jetzt?“, keuchte Ludwig, während er drei Treppenstufen auf einmal nahm. „Dort oben sitzen wir in der Falle!“

„Nein! Ich hab eine Idee!“, rief Raffael unter lautem Keuchen zurück.

Sie gelangten an eine Reifenrutsche, wo gerade niemand anstand. Raffael schnappte sich einen gelben Zweierreifen, legte ihn auf die Rutschbahn, stieß Ludwig drauf und sprang selber auf den hinteren Sitz. Als der Bademeister fluchend hinter einer Ecke auftauchte, fuhr der Doppelreifen bereits in die dunkle Rutschröhre hinein. Hätte Ludwigs Herz nicht so geklopft, hätte die Fahrt wirklich Spaß machen können, wie es immer schneller links- und rechtsherum ging. Doch er konnte es nicht genießen. Unten würde der Bademeister warten und sie aus dem Schwimmbad verbannen. Vermutlich würde er es auch dem Debarge sagen und der würde es der Klasse erzählen. Dann würde Marie denken, dass er es nur auf nackte Frauen abgesehen habe.  

„Luki!“, schrie es plötzlich hinter seinem Ohr, als es gerade weniger steil nach unten ging. „Abspringen!“

„Du hast sie wohl nimmer alle!“, schrie Ludwig zurück.

„Abspringen!“, schrie Raffael noch einmal, packte Ludwig an den Schultern und zog ihn nach hinten. Plötzlich war der Reifen unter ihnen weggerutscht und fuhr vor ihnen her. Die Buben rutschten auf ihrem Hosenboden weiter, was sehr schmerzhaft war. Die Rutsche war nämlich übersät von Ritzen und Löchern, aus denen das Wasser quoll, um die Reifen anzutreiben. Beide krallten sich in diesen Ritzen fest und kamen so endlich zum Stillstand, während der Reifen hinter einer steilen Biegung verschwand. Da die Röhre an dieser Stelle fast gerade verlief, gelang es den beiden Freunden aufzustehen. Ludwig drehte sich keuchend zu Raffael um, der mit bebendem Brustkorb, aber selbstzufrieden dastand.

„Wenn der Bademeister unten ankommt und nur noch den leeren Reifen sieht, denkt er, wir sind entkommen! Wir brauchen jetzt nur zu warten, bis etwas Gras über die Sache gewachsen ist. Ein perfekter Plan. Manchmal wundre ich mich über mich selbst“, meinte er und schien vor Stolz fünf Zentimeter gewachsen zu sein.

„Ich habe aber die dumpfe Befürchtung, einen Fehler in deinem perfekten Plan bemerkt zu haben“, antwortete Ludwig, während er von oben eine Stimme vernahm. Eine glückliche Frauenstimme, die sich auf eine lustige Rutschpartie mit einem Reifen freute. „Weißt du, wenn wir Laubfrösche wären und uns an der Decke der Röhre festhaften könnten, dann wäre es ein perfekter Plan.“

„Wieso?“, wollte Raffael wissen, als das freudige Lachen der Frauenstimme gefährlich nahe kam. Plötzlich schoss ein gelber Reifen um die Ecke, in dem eine Frau saß. Ludwig und Raffael erschraken mindestens genauso wie diese, als sie merkten, dass es die hübsche Referendarin Angenreich war. Bevor sie ihrem Erstaunen und ihrer Angst vor dem Folgenden Luft machen konnte, hatte der Reifen die beiden schon erfasst und von den Füßen gerissen. Ludwig landete bäuchlings auf seiner Lehrerin, während Raffael vor dem Reifen hergeschoben wurde. Als die Rutsche steiler wurde, geriet er unter ihn. Dann holperte der Reifen über ihn hinweg.

Ludwig versuchte, von der schreienden Referendarin hinunterzukommen und seitlich an ihr vorbeizuklettern. Doch in diesem Augenblick machte die Röhre eine unerwartete Biegung. Ludwig taumelte und wäre mit dem Hinterkopf heftig gegen die Rutschenwand gestoßen, wenn er sich nicht auf Frau Angenreich abgestützt hätte. Doch er bemerkte durch die Aufregung leider erst viel zu spät, dass seine rechte Hand ihre linke Brust umfasste. Er nahm die Hand blitzschnell wieder weg, doch er hatte schon bemerkt, wie weich der Busen darunter gewesen war. Ludwig versuchte mit aller Macht dagegen zu arbeiten, doch es gelang ihm nicht, das Phänomen, das ihn schon vor den Damenduschen eingeholt hatte, zu unterdrücken. Er hatte auch keine Hand frei, um sich die Hose zurechtzuzupfen. Er hoffte inständig, Frau Angenreich würde nicht spüren, was in seiner Badehose gerade geschah. Doch er blickte in ein versteinertes Gesicht mit hervortretenden Augen und wusste, dass es sein Ende war. Dann plumpste der Reifen in ein Becken und die Fahrt war vorüber.

Ludwig sprang von seiner Lehrerin ab und landete direkt vor dem Bademeister. Der packte ihn an der Schulter, schüttelte ihn und schrie ihn an, dass es hier Regeln gäbe, auch wenn er von daheim her wohl keine Manieren beigebracht bekommen hätte. Frau Angenreich kam mit feuerrotem Kopf dazu und schimpfte nicht weniger heftig. Sie sagte, dass sie einen Brief an Ludwigs Eltern schreiben werde und so weiter und so fort.

Zu Boden schauend und hin und wieder nickend wartete Ludwig, bis die beiden mit dem Schimpfen fertig und gegangen waren. Dann setzte er sich in das Strudelbecken und wartete auf Raffael. Sein Herz pochte noch immer und die Schamesröte würde er gewiss bis Pfingsten nicht mehr aus dem Gesicht kriegen. Es dauerte noch einige Minuten, bis Raffael kam. Er sah erschöpft aus. Seine Hände, Brust, Bauch, Gesicht und besonders die Nase waren übersät von Blut und Schrammen.

„Was ist denn mit dir passiert?“, fragte Ludwig, während das Leben in ihn zurückkehrte. Raffael erklärte, dass er mit der Nase in einer von den Ritzen hängengeblieben wäre. Ludwig lachte, doch sein Freund meinte, das sei nicht witzig gewesen. Es wären noch drei weitere Reifenfahrer über ihn hinweggerutscht, bis er sich endlich hatte befreien können. Bei den Worten musste Ludwig so lachen, dass er keine Luft mehr bekam. Danach erzählte er, wie es ihm ergangen war. Raffael hielt sich den Bauch vor Lachen, wenngleich er ab und zu vor Schmerzen das Gesicht verzog. Als beide Buben fertiggelacht hatten, sagte Raffael: „Also, eine Stunde haben wir noch. Auf geht’s! Zurück ins Schwimmerbecken!“